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24.11.2024 03:39:46
An der von rund 160 Gästen besuchten Podiumsdiskussion vom 12. März im Kulturhaus Odeon in Brugg diskutierten Journalist und Sektenspezialist Hugo Stamm, Heilsarmee-Leiter Beat Schulthess aus dem Zürcher Oberland, Humanistin und Religionswissenschaftlerin Ruth Thomas und die katholische Ordensfrau Schwester Zita von den Baldegger Schwestern miteinander und mit dem Publikum über ihre persönliche Einstellung zum Gebet.
Im öffentlichen Raum über das Beten zu reden ist schwierig und heikel, stellte Jürgen Heinze, Spitalseelsorger und Moderator des Abends fest. Religion wird in unserer Gesellschaft als Privatsache behandelt, das Beten gilt gar als noch viel privater.
Es gehört zu Schwester Zitas Alltag für andere zu beten. Viele Menschen, die sie und ihre Baldegger Ordensschwestern oft gar nicht kennen, bitten darum, in das Gebet eingeschlossen zu werden. Wie es ihnen später geht, ob es etwas «genützt» hat, weiss sie nicht. Für Heilsarmee-Offizier Beat Schulthess ist es klar: Er hat selber erlebt, dass es «wirkt», wenn man betet. Gebete könnten sogar Wunder bewirken. Er hat in der eigenen Familie erlebt, wie der an Leukämie erkrankte Sohn dank Gebeten geheilt wurde.
Beten als Placebo?
Beten kann beruhigen und vielleicht trösten, widersprach Hugo Stamm. Er hege allerdings grosse Zweifel an all den Wundergeschichten, die erzählt werden. Nur die allerwenigsten seien medizinisch dokumentiert und belegt. Gebete seien Placebos und Mittel der Autosuggestion, denn es gebe kein Gegenüber, das zuhört. In Südamerika werde derart ergriffen gebetet, doch warum sei dann die Lebenserwartung so viel tiefer als bei uns? Dass Beten etwas bewirkt und man dadurch geheilt werden könne, findet für ihn nur im Hirn der Menschen statt und nicht im realen Leben. Die Vorstellung, dass man bete und von einem personalen Gott einfordere, dass der Wunsch auch erhört und erfüllt werde, hält er für puren Egoismus. Es könne doch nicht sein, dass nur diejenigen, die beten, Anspruch auf Heilung hätten.
Schwester Zita versteht ihr Gebet als Bitte an einen barmherzigen Gott. Sie vertraue und hoffe, dass er den richtigen Weg zeige. Sie zitiert Albert Schweitzer: «Gebete verändern die Welt nicht. Gebete verändern die Menschen, und die Menschen verändern die Welt.» Wir sind verantwortlich für eine gute Welt und müssen mit der Veränderung bei uns selber anfangen.
Gedankenbüscheln und Beten
Auch Humanistin Ruth Thomas, die nicht an Gott glaubt, plädierte für «gutes Handeln»: «Man muss so gut handeln, wie man überhaupt kann. Und bitte Verantwortung übernehmen!». Um eine bessere Welt zu schaffen, hält sie es für besser Kinder zum Denken, zur Vernunft und zur klugen Anwendung von Wissen zu erziehen als zum Glauben zu führen. Sie brauche Menschen und keine virtuelle Gottheit als Gegenüber. Sie teile Gedanken, Freud, Leid und Lachen – all das, was ihr wichtig ist – mit Familie und Freunden. Für das persönliche «Gedankenbüscheln», das sich allenfalls mit Beten vergleichen liesse, habe sie ihre eigenen Strategien, brauche dazu aber keine Vorstellung von einer Gottheit. Es gehe am besten in Bewegung, beim Putzen, Kochen oder Gärtnern.
Beat Schulthess begegnet dem «Für-sich-selber-Schauen» skeptisch. In seiner Arbeit trifft er viele einsame, ohnmächtige Menschen mit grossen Nöten, die schwerkrank oder «dem Okkulten» verfallen sind. Sie seien dankbar, wenn sie Belastendes mit Hilfe von Seelsorgenden ablegen können. «Im Beten können wir die Nähe eines souveränen Gottes erleben», meint er. «Man muss sich aber darauf einlassen, um diese Erfahrung zu machen.»
Beten und Danken
Auf die Frage, welche Gebete sie anwende, antwortete Schwester Zita, dass ihr ein wortmächtiger «Fluchpsalm», wenn sie wütend sei, durchaus gelegen komme. Am Ende des Tages sei sie jedoch froh mit einem Abend- und Nachtgebet ihre Sorgen und Nöte, aber auch ihre Fragen und ihren Dank in Gottes Hände legen zu dürfen.
Text: Martina Peter
Hier sehen Sie den Artikel der Aargauer Zeitung vom 14. März 2019
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